Zwischen Schaffen und Wahnsinn – Arbeiten auf der Lodge

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Zwischen all dem Freizeitvergnügen auf der Lodge wurde natürlich täglich gearbeitet um sich den einzigartigen Aufenthalt an diesem Ort zu verdienen. Los ging es immer um 8 Uhr morgens beginnend mit einem Gruppenmeeting in der Vorratskammer, bei welchem der ein oder andere meist noch nicht richtig munter war. Dort wurden dann die Tagesaufgaben verteilt. Wie ihr seht war ich hier noch ein wenig missmutig – wahrscheinlich ging es mit den Polarlichern am Vorabend wieder etwas länger.

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Grob teilten sich die Aufgaben auf 4 Bereiche auf: Innendienst, Außendienst, Touristen drinnen oder draußen bespaßen sowie die personenspezifischen Tagesaufgaben. Das machte man dann 6 Tage und hatte dann einen Tag zur freien Verfügung. Dabei wurde von der Managerin Amy darauf geachtet, immer Abwechslung von Tag zu Tag zu bieten, damit man nicht vom permanenten Betten machen oder Touristen bei Laune halten in den Wahnsinn getrieben wurde.

Als Innenaufgabe stand immer mindestens 1x aufwaschen pro Tag auf der Agenda. Wenn man Pech hatte konnte es durchaus passieren, dass man 3x dran war. Dabei war ich nach kurzer Zeit für mein Hochgeschwindigkeitsaufwaschen und Leute antreiben berühmt und zugleich berüchtigt. Amy, die den Rekord für Turbo-Aufwaschen hielt, erhob mich ehrenvoll in den Stand eines Turbo-Aufwaschmeisters. Wie schnell wir waren lässt glaube ich die Tatsache erahnen, dass mir hin und wieder der Schweiß auf der Stirn stand.

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Alle zwei Tage war man mit Gästezimmer aufräumen und Betten machen dran, wobei einige der Betten eine so unsäglich unpraktische Konstruktion hatten, dass es erstens unmöglich gewesen ist, das Bett zu machen ohne sich dabei fast hineinzulegen und zweitens es eh egal gewesen ist wie man es gemacht hat, da es am Ende immer scheiße ausgesehen hat. Ich habe immer darauf gewartet, dass ein Gast in die Kabine kommt wenn ich gerade gezwungenermaßen halb im Bett lag, und mich fragt was ich da treibe. Ich hatte aber immer ein gutes Timing und blieb unentdeckt.

Nach den Gästezimmern war dann Wischen und Kehren in der Lodge angesagt, unter der permanenten, hirnverweichenden Beschallung des Senders „Coffehouse“ der gefühlt aller 30 Minuten die selben Titel spielte und man durch diese Gehirnwäsche unbewusst anfing die Titel außerhalb der Lodge vor sich hin zu summen. Absoluter Hit war dabei der Song „Shut up and dance – Walk the moon“, welcher mich und die anderen bestimmt auch, bis heute verfolgt. Beim Budenschwung ist mir der „Aktivistenmob“ ans Herz gewachsen.  Mit diesem Monsterteil war es ein Leichtes die gesamte untere Etage der Lodge in 10 Minuten zu wischen. Nur das Herumgewuchte des mehr als 30 Liter fassenden Wischeimers war ein wenig suboptimal. Besonders ulkig war es immer, wenn hin und wieder das Karibu mit dem Staubsauger in akrobatischen Einlagen entstaubt werden musste.

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Draußen reichte dann die Palette an Arbeiten von Waldbrandschutzschneisen mit der Kettensäge in den Wald schneiden und das Holz zu solchen kunstvollen Holzstapeln auftürmen, was immer eine mächtige Schinderei war, über Dieselfässer in die Tanks pumpen, bis hin zum wahnwitzigen 500 m Überlandtransport von ganzen Motorbooten samt Außenbordmotor in den Nachbarsee, was zu Schnappatmung und Sauerstoffzeltbedarf bei einigen an der Überlandschleifaktion beteiligten Teammitgliedern führte. Dagegen war meine tägliche Aufgabe der Gartenarbeit wie das Gießen von Gemüse und Kräutern und Unkraut zupfen die reinste Entspannung.

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Auch als Essenkehrer konnte ich mich versuchen, wenn auch nicht in traditioneller Kluft. Dabei hätten einige der Dächer sowie die zum Erklimmen nötigen und durch mich aufgebauten Leiterkonstruktionen dem deutschen Arbeitsschutz sofort zur Weißglut und zum Amoklaufen gebracht.

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Als Kerstin und ich ausgerechnet auf dem Dach der ältesten und im schlechtesten Zustand befindlichen Kabine herumlagen und die Mittagssonne genossen, ging uns durch den Kopf was wohl passieren würde, wenn wir jetzt beim Faulenzen durch das Dach brechen würden. Aber da wir ja Leichtgewichte sind, hat das Dach standgehalten.

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Nur auf dem letzten Dach wurde es ein wenig brenzlig für mich, als ich auf einer Leiter nach oben stieg, welche aus zusammengeknoteten Ästen bestand und aus jedem Robinson Crusoe Film hätte stammen können. Meine solide Aluminiumleiter „hatte Beine bekommen“, sodass ich mit dem Klappergestellt vorlieb nehmen musste. Oben angekommen kippte die Leiter und ich konnte mich grad noch so an der eh schon schief aus dem Dach ragenden Ofenrohrkonstruktion festhalten. Ich weiß nicht wer mehr geschockt war, ich auf dem Dach oder Colin der in der Kabine war und plötzlich ein wild ausschlagendes Ofenrohr vor sich hatte.

Auf Grund meines handwerklichen Geschicks habe ich auch Reparaturen an der Ausrüstung vorgenommen. Zum Beispiel habe ich aus einem alten Türriegel eine neue Steuerruderfinne eines Kajaks gefeilt die auf dem 2. Bild zu sehen ist (in weiß). Hier lernte man zu improvisieren, wenn keine Ersatzteile da waren. Dima fragte mich wo ich das Teil aufgetrieben hätte und ich antwortete: selber gefeilt, denn der „German Engineer is in the House”. Dieser Ausspruch hatte bei uns beiden natürlich einen kurzen Schmunzler zur Folge.

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Auch den Kompost habe ich eichhörnchen- und rabensicher beplankt. Die Raben hier sind riesig, sodass man ihren fauchenden Flügelschlag von Weitem hören kann. Die Biester sind zum einen recht garstig, picken sie doch von Zeit zu Zeit die Zeltplanen der Unterkunfte aus reinem Spaß an, zum anderen sind sie recht ulkig, können sie doch allerei Geräusche wie ein Papagei imitieren, wie zum Beispiel einen Wecker.

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Die Gastarten und die damit verbundene Betreuung waren breit gefächert. Das Gästeklientel reichte von einer Umweltforschergruppe die einen kleinen Kongress auf der Lodge abhielten, über die Foxy-Group-Bildungsklasse, welche aus 14-jährigen Mädchen bestand die Sexualkundeunterricht hier betrieben und uns mit deren lauten Gekreische und den überall hängenden selbstgemalten Plakaten mit obszönen Sexspielzeugen fast in den Wahnsinn getrieben hätten, bis hin zu „normalen Touristen“ die an Wandern, Kajakfahren und den Polarlichtern interessiert waren. Ich war sehr oft mit Gästen per Kajak oder Kanu auf Tour, wobei ich bei einigen Leuten bis heute nicht weiß wie diese mit ihrer körperlichen Fitness ins Boot rein und raus gekommen sind ohne zu kentern. Stellenweise war es schon nervend als Steuermann das volle Kanu alleine durch die Wellen zu paddeln, weil alle anderen aus Kraftmangel nicht paddeln „konnten“.

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Bei den Touren mit den Gästen habe ich auch die Erkenntnis gewonnen, dass für mich auch noch so schöne Outdooraktivitäten zur Normalität und Alltag verkommen, wenn man immer und immer wieder die selbe Tour mit wechselnden Gästen unternimmt, zu welchen man keine tiefere Beziehung hat und welche die Natur nicht so wahrnehmen wie man selbst. Ich bin dankbar für die unschätzbar wertvolle Erfahrung und Erkenntnis, dass ich niemals Spaß an einem längerfristigen Job als Tourguide hätte. Dennoch waren die zwei Monate als Tourguide nicht schlecht. Das hier war meine beste Gruppe mit „Apo“ dem selbsternannten Selfie-König, der dieses Foto geschossen hat.

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Ich habe auch einigen Gästen Angelunterricht gegeben. Bei einem kräftigen Auswerfen hat sich das vorderste Stück von meiner Angel gelöst und ist in hohem Bogen dem Angelhaken hinterher in den See gesegelt. Dann musste ich dem schlecht englisch sprechenden Gast erklären, dass dies eigentlich nicht so sein sollte.

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An einem Tag als ich mal wieder mit allem fertig war, habe ich dienstbewusst wie ich eben bin gefragt ob noch etwas zu erledigen sei. Amy sagte daraufhin, ich könne schon mal anfangen den Misthaufen hochzuschafeln, auf welchem die Kompostiertoilette einmal im Jahr entleert wird, da die Stützwand des Misthaufens an der Hangunterseite den Mist nicht mehr gewachsen war. Klasse dachte ich mir und griff mir die nächstbesten Gummistiefel unter dem Gelächter der anderen. Gut nur das es Dima´s Gummistiefel waren, der mit am lautesten gelacht hatte. Als er später sah, dass es seine Gummistiefel waren, stand ich schon mitten in der Kacke. In dem Moment als er dann kurz vor dem aus der Haut fahren war, hab ich nur fix gesagt: „ Ruhig bleiben Dima, jetzt klebt eh schon Kacke dran, aufregen bringt nichts mehr!“ Damit hatte ich dann die Lacher auf meiner Seite.

Am Nachmittag erfolgte dann meist die Belieferung der Lodge mit neuen Gästen, Lebensmitteln und Equipment durch Wasserflugzeuge unterschiedlicher Größe, was für mich auch nach 2 Monaten immer noch ein spannender und schöner Moment war.

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Wenn das Flugzeug angedockt hatte,  hieß es für uns alle immer eine Menschenkette zum Entladen und Beladen bilden. Sehr schweißtreibend war es immer, wenn wir für die Dieselgeneratoren 250 L Fässer Diesel geliefert bekamen, die dann über ein abenteuerliches Plankensystem an Land gerollt werden mussten. Bei all dem Gewusel ist Colin dann auch eines der Funkgeräte ins Wasser gefallen, welches hier zur Kommunikation im Lodgegelände ein sehr hilfreiches Utensil ist. Niemand hat es gesehen, sondern alle haben nur das Geräusch des Platsches gehört und wussten sofort was es gewesen war. Es ist dann wieder an mir hängen geblieben das Ding tauchenderweise vom Grund des Sees zu holen, obwohl ich an der Versenkung nicht mal Schuld war. Die Kommunikation mit den Funkgeräten hat aufgrund von Mißverständnisse von Wörtern oder ganzen Sätzen oft genug zu Gelächter der ganzen Gruppe bei der Tagesauswertung am Abendbrottisch geführt. Hier für die des Englischen mächtigen die Hitliste der fehlverstandenen Wörter, für alle anderen hab ich die Übersetzung in Klammern dahinter geschrieben. Was die Leute sich stellenweise verdutzt am Funkgerät gedacht haben, könnt ihr euch sicher vorstellen, wenn man beispielsweise eine Schaufel verlangt (shovel) und gefragt wird welche Farbe sie haben soll, weil die Person am anderen Ende Handtuch (towel) verstanden hat.

shovel – towel (Schaufel – Handtuch)

bavarian – babarian (Bayer – Babar)

apocalypse – eucalyptus (Apokalypse – Eukalyptus)

vaseline – Vasili (Vaseline – Vasili als Name)

sun is back – sauna is back (die Sonne ist zurück – die Sauna ist zurück)

chance of rain – chainsawrain (Regenwahrscheinlichkeit – Kettensägenregen)

I am in the greenhouse and remove weed – what you are in the greenhouse and smoke weed? (Im bin im Gewächshaus und zupfe Unkraut – Was du bist im Gewächshaus und rauchst Gras?)

You need annual lessons – what I need anal lessons? (Du braucht alljährlichen Unterricht – was ich brauche Analunterricht?)

Nach getaner Arbeit ließ es sich vortrefflich in einem der neuen Stühle ausruhen und den Start des Flugzeuges beobachten.

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Wie ihr sehen könnt, waren die Aufgaben abwechslungsreich und es ist nie langweilig geworden. Dies hier war auch nur eine kleine Auswahl von gefühlt 1000 weiteren Tätigkeiten wärend meiner 2 Monate auf der Lodge die immer für Kurzweil gesorgt haben.

So nun habe ich genug über meine Arbeit auf der Lodge berichtet – in den nächsten Einträgen wird es wieder abenteuerlich!!!

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